Statement zur Eröffnung des Humboldt Forums

16. Dezember 2020

Zur Eröffnung des Humboldt Forums am 16. Dezember erklären Erhard Grundl, Sprecher für Kulturpolitik, und Kirsten Kappert-Gonther, Berichterstatterin für die Aufarbeitung des kolonialen Erbes:

Erhard Grundl, Sprecher für Kulturpolitik:

„Wenn das Humboldt-Forum am Mittwoch seine Türen digital öffnet, stehen mit den weltberühmten Benin-Bronzen Meisterwerke im Zentrum der Ausstellung, die Nigeria zurückverlangt – und das schon lange und aus verständlichen Gründen. Diese Bronzen sind beeindruckende Kunstwerke. Mehr noch, sie sind wertvolle Chroniken. Die dargestellten Königserzählungen und Kriegsszenen stellen einen Teil der nigerianischen Geschichte und Identität dar.

Tatsächlich stehen wir bei der Aufarbeitung unseres kolonialen Erbes noch immer am Anfang. Auch in Bezug auf die Benin-Bronzen sind die Versäumnisse schwerwiegend. Lange hat man sich mit der Frage aufgehalten, ob die nigerianische Regierung eine „offizielle“ Rückgabeforderung stellte oder nicht. Die Frage, wie wir mit Kulturgütern und anderen Objekten aus kolonialem Kontext in unseren Sammlungen umgehen, geht weit über einzelne Museen und Objekte hinaus. Es ist eine Frage der grundsätzlichen Haltung und es geht um die Anerkennung auch des ideellen Wertes der Objekte für die Herkunftsgesellschaft. Viele Exponate seien mehr als Form und Material, so die französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy. Bei der Restitution gehe es auch um Respekt.

Das Aussitzen von Rückgabeforderungen lässt diesen Respekt in nicht akzeptabler Weise vermissen.“

Kirsten Kappert-Gonther, Berichterstatterin für die Aufarbeitung des kolonialen Erbes:

„Die Bundesregierung hat es bis zur Eröffnung des Humboldt Forums versäumt, einen Rückgabe-Prozess mit Herkunftsgesellschaften über Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten herzustellen. Diese Ignoranz rächt sich jetzt.

Die jüngsten Forderungen aus Nigeria zu den Benin-Bronzen kurz vor der Eröffnung des Humboldt-Forums machen deutlich, dass wesentliche Fragen zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten offen sind. Das politische Signal ist verheerend: Mit dem Humboldt Forum wird ein Teil des von Berlin ausgehenden Kolonialismus rehabilitiert. Die geplante Ausstellung von Beutekunst und insbesondere der Benin-Bronzen in der wiedererrichteten Residenz der brandenburgisch-preußischen Herrscher ist eine Zumutung für die Nachfahren der Kolonisierten. Es ist nach wie vor unklar, wie viel Beutekunst in den Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und anderen Einrichtungen hierzulande lagert. Den Herkunftsgesellschaften fehlt noch immer der Zugriff auf Informationen über unrechtmäßig in Besitz genommene Objekte.

Die Bundesregierung muss jetzt dafür Sorge tragen, dass die Bestände sukzessive digitalisiert und die Herkunftsgesellschaften proaktiv über den Verbleib der Objekte informiert werden, damit die Objekte wieder zu ihren rechtmäßigen Besitzer*innen finden.“

Newsletter