Rede | Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung (2)
7. Mai 2021227. Sitzung
TOP 20 Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung
Das Protokoll des Deutschen Bundestags:
Erhard Grundl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die schwarzen Koffer mit 2,1 Millionen D-Mark Spendengeldern für die Parteiarbeit an allen Büchern vorbei und im krassen Widerspruch zum Parteiengesetz gehören auch zum Vermächtnis Helmut Kohls.
(Matthias W. Birkwald : So ist es!)
Die Spendenaffäre nicht aufzuarbeiten, schafft sie nicht aus der Welt. Im Gegenteil: Jeder Versuch, eine objektive, wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema zu umgehen, versperrt auch den Blick auf das politische Wirken Kohls, versperrt den Blick auf Helmut Kohl als Transatlantiker, als Entspannungspolitiker, als großen Europäer, als Kanzler der Einheit. Aber niemand steht über dem Gesetz. Schweigekartell und Ehrenwörter, anstatt die Sachen klar beim Namen zu nennen – das ist und bleibt inakzeptabel.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Dem Ansinnen, eine Helmut-Kohl-Stiftung zu gründen, stehen wir nicht entgegen; denn es geht um die Aufarbeitung einer historisch prägenden Zeit der Neuausrichtungen. Helmut Kohl war hier eine entscheidende und gerade in seiner außenpolitischen Wirkung vielfach auch zukunftsweisende Figur. Diese Forschungsarbeit hat die historische Persönlichkeit Helmut Kohl auf jeden Fall verdient.
Eine solche Stiftung – das ist selbstredend – muss ihrem Stiftungsgegenstand gegenüber kritische Distanz wahren. Wie auch andere Politikerstiftungen sind diese Stiftungen keineswegs Spielbälle der jeweiligen Mehrheiten im Deutschen Bundestag oder Austragungsorte für parteipolitische Machtkämpfe. Das verhindert schon das Stiftungsrecht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Selbstverständlich gehört eine Stiftung, die in Helmut Kohl auch den Kanzler der Einheit würdigt, nach Berlin. Berlin als einer der Orte der Friedlichen Revolution steht für die demokratische Leistung dieser Bewegung. Ohne sie gäbe es keine deutsche Einheit. Das wusste auch Helmut Kohl. Es geht um die Symbolkraft des historischen Ortes Berlin.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nichtsdestotrotz schließt das Gründungsgesetz – gerade durch den Änderungsantrag der Koalition zur Willy-Brandt-Stiftung – nicht aus, dass es einen Ausstellungsort in Ludwigshafen/Oggersheim geben könnte. Das begrüßen wir.
Aber um das noch einmal deutlich zu sagen: Der Umstand, dass es die CDU bis heute nicht geschafft hat, sich über den Stiftungsinhalt zu einigen, über den Ort und die Beteiligung von Frau Kohl-Richter, ist einerseits dem jetzt an den Tag gelegten Schweinsgalopp im Verfahren geschuldet, liegt andererseits aber auch an der generellen politischen Kraftlosigkeit, die Sie aktuell an den Tag legen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Paul Ziemiak : Oh! Leute, Leute!)
So unvorbereitet und eilig – sozusagen kurz vor Sendeschluss – die Stiftung ins Leben zu rufen, kratzt jetzt schon gewaltig am Image der noch nicht einmal existierenden Stiftung.
Meine Damen und Herren, der gelernte Historiker Kohl hat einmal gesagt: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“ Machen wir es an dieser Stelle also wie Helmut Kohl: Akzeptieren wir, dass es historisch immer um eine kritische Aufarbeitung geht, nicht um das Fabulieren eines Heldenepos.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann )
Und seien wir dem Taktiker Helmut Kohl ruhig auch ein bisschen dankbar.
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.
Erhard Grundl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Denn ohne sein Strippenziehen müssten wir uns heute womöglich über eine Bundesstiftung Franz Josef Strauß streiten.
Vielen Dank.
(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Matthias W. Birkwald : Der war gut!)
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Vielen Dank, Herr Kollege Grundl. – Ich glaube, das war das Stichwort für den nächsten Redner. Nachdem der Kollege Martin Rabanus, SPD-Fraktion, seine Rede zu Protokoll gegeben hat, kommt der Kollege Manfred Grund als letzter Redner in der Debatte zu Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)