PM | Abstimmung zum Familiennachzug im Deutschen Bundestag

1. Februar 2018

Anlässlich der heutigen Abstimmung zum Familiennachzug im Deutschen Bundestag erklärt der niederbayerische Bundestagsabgeordnete Erhard Grundl:

Was es bedeutet, wenn Familien durch Krieg und Verfolgung auseinandergerissen werden, machen diese Einzelfälle aus meinem Wahlkreis deutlich. Da ist der 15-jährige Syrer, der vor mehr als zweieinhalb Jahren ohne seine Eltern floh oder die 19-jährige junge Mutter, die vergeblich hofft ihren fünfjährigen Sohn nachholen zu können. Sie flohen vor Krieg und Gewalt und haben Schlimmes erlebt. Doch das Schlimmste ist die Ungewissheit darüber, wie es der Familie geht, ob man sie wieder sieht.

Die heutige Abstimmung hat gezeigt: Wir kommen vom Regen in die Traufe. Aus einem Rechtsanspruch soll eine Ermessensfrage werden. Anstatt die Aussetzung des Familiennachzuges auslaufen zu lassen und den Familiennachzug wieder möglich zu machen, führt die große Koalition beim Grundrecht auf gemeinsames Zusammenleben der Familie eine Obergrenze von 1000 Personen pro Monat ein. Das ist völkerrechtswidrig. Faktisch hat die SPD damit das Grundrecht auf die Zusammenführung der Kernfamilie aufgegeben. Sie hat dabei die betroffenen Menschen aus den Augen verloren und gezeigt, dass ihr die Kraft und der Wille fehlt, sich für die integrationspolitisch so notwendige Weiterführung des Familiennachzugs einzusetzen. Jetzt lässt sich die SPD mit einer ohnehin bestehenden, sehr eng gefassten Härtefallregelung abspeisen, über die seit Januar 2017 nur 97 Menschen einreisen konnten. Daher wird dieses schlecht gemachte Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht landen.

Der Bundestag hat am Montag eine Expertenanhörung zum Gesetzentwurf der Union durchgeführt. Die Mehrheit der Sachverständigen kam dabei zu einem eindeutigen Ergebnis: Die Familieneinheit ist für die Integration unumgänglich. Das Fazit der Kirchen, des UNHCR sowie namhafter völker- und menschenrechtlicher Experten lautet klar: Die bestehende völkerrechtliche Verpflichtung, den Familiennachzug auch für subsidiär Geschützte zu ermöglichen, ist unvereinbar mit einer Kontingentierung.

Auch Vorschläge, den Familiennachzug nur unter bestimmten Voraussetzungen zu gestatten (wie z.B. Wohnraum und Lebensunterhaltssicherung) fielen bei den Sachverständigen durch: Denn subsidiär Geschützte sind – so der UNHCR – nach internationalem Recht Flüchtlingen der Genfer Flüchtlingskonvention gleichgestellt. Diese sind – aus guten Gründen – beim Familiennachzug von solchen Erfordernissen befreit, weil sie diese aufgrund ihrer Fluchtgeschichte in den allermeisten Fällen kurzfristig nicht erfüllen können.

Dagegen ist die Wiederaufnahme des Familiennachzugs aus mehreren Gründen dringend notwendig:

 – Der Schutz der Familie ist ein Grundrecht. Wenn ein Zusammenleben außerhalb Deutschlands nicht möglich ist, dann muss die Zusammenführung der Kernfamilie hier möglich gemacht werden. Der Familiennachzug ist ein rechtliches Gebot, aber auch ein ethisches.

– Die Aussetzung des Familiennachzugs bzw. seine Beschränkung auf das Gnadenrecht einer Härtefallprüfung erschwert die Integration immens. Dadurch schafft die große Koalition zwei Klassen von Flüchtlingen – mit und ohne Nachzugsmöglichkeit. Wer will Deutsch lernen und sich um Arbeit bemühen, wenn Ehepartner oder Kinder noch im bürgerkriegsumkämpften Syrien sind?

– Den Familiennachzug über einen Härtefall zu regeln ist rechtlich unsinnig, weil sich damit keine Prioritäten setzen lassen. Von welchem Familienmitglied und über welchen Zeitraum ist eigentlich eine Trennung weniger hart?

Jeder sollte sich fragen #WasWennEsDeinKindWäre?

 

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