PM | Zum Weltfrauentag: Männerdominanz in vielen Gremien nicht mehr tragbar

4. März 2022

In den meisten Parlamenten, Vorständen und Aufsichtsräten sowie vielen anderen Gremien haben nach wie vor Männer das Sagen, sowohl anteilig als auch in Bezug auf die Besetzung der Schlüsselpositionen. Auch im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks sind Frauen mit 17 Sitzen deutlich unterrepräsentiert gegenüber Männern mit 33 Sitzen. Zwar gibt es einen Passus im Bayerischen Rundfunkgesetz, der zumindest bei zweifach entsendenden Organisationen – wie den christlichen Kirchen und dem Bauernverband – Geschlechterparität festlegt und bei allen anderen ein Abwechseln der Geschlechter bei der Entsendung fordert.  Jedoch handelt es sich hierbei nur um eine Soll-Klausel, die mit einer einfachen Erklärung umgangen werden kann, was sich am Frauenanteil bemerkbar macht.

„Der Internationale Frauentag am 8. März ist für mich jedes Jahr Anlass, einen Blick auf das Verhältnis der Geschlechter in Gremien zu richten. Als Rundfunkrätin im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks muss ich dabei feststellen: Von einer Gleichstellung sind wir leider weit entfernt. Hier ist die Politik gefragt – aber CSU und Freie Wähler setzen weiter auf Stillstand. Denen ist das schlicht egal. Die Zahlen zeigen, Freiwilligkeit führt nicht zu Parität.“, kritisiert die Grüne Rundfunkrätin Sanne Kurz, Sprecherin für Kulturpolitik und Film der Grünen Fraktion im Bayerischen Landtag.

Der Rundfunkrat des BR hat drei Ausschüsse und eine Sachkommission. „Unter den vier Vorsitzenden und ihren Stellvertretern ist nur eine einzige Frau. Auch der Vollversammlung sitzt ein Mann vor. Lediglich die Schriftführerin ist eine Frau und damit qua Amt Mitglied im mächtigen Ältestenrat des Gremiums. Dort ist sie – Überraschung – die einzige Frau neben sechs Männern.“, so Sanne Kurz und sie ergänzt: „Das geht so nicht weiter. 2014 hat das Bundesverfassungsgericht im sogenannten ‚ZDF-Urteil‘ deutlich gemacht, dass Frauen angemessen zu berücksichtigen sind. Und angemessen in einem Staat mit mehr als 50% Bürgerinnen und einem gesetzlichen Diskriminierungsverbot auf Basis des Geschlechts heißt nichts anderes als: Mindestens die Hälfte.“

Noch dramatischer sieht das Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen dann bei Sichtbarkeit und Hörbarkeit von Frauen aus. Sanne Kurz hat die Protokolle der Debatten von 18 Ausschusssitzungen der letzten beiden Jahre analysiert. „Männer melden sich viel häufiger zu Wort. Der Anteil der Wortbeiträge von Männern in den Sitzungen liegt im Schnitt bei 81%. Dass Männer auch viel länger reden, wenn sie mal das Wort haben, überrascht nicht wirklich. Das ist für mich nicht akzeptabel. Daher muss mindestens bei der Besetzung von Gremien absolute Gleichstellung herrschen. Und das kann per Gesetz geregelt werden.“ Mit nur zwei Ausnahmen unter den von ihr analysierten Sitzungen, ergänzt Kurz, würde das Ungleichgewicht beim Redeanteil selbst dann noch Bestand haben, wenn die Vorsitzende eine Frau wäre, die als Sitzungsleiterin natürlich häufiger das Wort ergreifen müsste.

Erhard Grundl, Leiter der AG Kultur und Medien der Grünen Bundestags-Fraktion, hält eine paritätische Besetzung in allen Kontrollgremien ebenfalls für überfällig: „Wer nicht vertreten ist, wird nicht gehört und kann für seine Belange nicht eintreten. Die Parität sorgt schlicht für Chancengleichheit von Frauen in einem System, das sonst aufgrund ihres Geschlechts Männer quotiert. Geschlechtergerechtigkeit ist eine Chance, gemeinsam Dinge besser zu machen – ob in den Parlamenten oder in den Rundfunkräten. Die Hör- und Sichtbarkeit von Frauen in den Kontrollgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten findet am Ende ihren Niederschlag auch im Programm. Und von einem medialen Bild unserer Welt, das nicht vom männlichen Blick dominiert wird, können wir als Gesellschaft nur profitieren.“

Auch der Verein Pro Quote Film, der sich für Gendergerechtigkeit und Diversität in der Filmbranche einsetzt, ist davon überzeugt, dass nur paritätisch besetzte Kontroll- und Entscheidungsgremien für ausgewogene Sichtbarkeit sorgen können. Esther Gronenborn, Vorstandsmitglied, sagt „Pro Quote Film fordert seit 2014 eine diverse und paritätische Besetzung aller Jurys und Gremien. Dazu gehören auch die Rundfunkräte. Für Pro Quote Film ist nicht verständlich, wieso dies trotz entsprechender Urteile beim Bundesverfassungsgericht noch nicht umgesetzt ist. Gerechte Teilhabe unter Einbeziehung aller gesellschaftlichen Perspektiven, sollte besonders auch bei den Rundfunkräten der öffentlich-rechtlichen Sender selbstverständlich sein und ist eine elementare Voraussetzung für die Aufgaben dieses wichtigen Gremiums.“

 

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