On Tour | Delegationsreise nach Brasilien mit dem Unterausschuss Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik

29. Oktober 2019

Vom 16. bis zum 21. September durfte ich mit dem Unterausschuss Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik auf Delegationsreise nach Brasilien gehen. Ziel der Reise war vor allem, einen Einblick in die Kultur- und Bildungsinstitutionen und Projekte zu bekommen, die auch von Deutschland unterstützt werden. Es nahmen Abgeordnete aller im Bundestag vertretenen Parteien teil. Ich als Vertreter unserer Fraktion.

 

Unsere Tour führte uns in drei der größten Städte Brasiliens nach Rio de Janeiro über Salvador de Bahia bis nach São Paulo.

Rio de Janeiro
Salvador de Bahia
São Paulo

 

 

 

 

Rio de Janeiro

Krasse Kontraste – Ankunft in Rio

Am Montag erreichten wir Rio de Janeiro in den frühen Morgenstunden. Tropische Temperaturen von 30 Grad und eine hohe Luftfeuchtigkeit empfingen uns. Sofort nach dem Aussteigen aus dem Flieger und auf dem Weg zum Hotel waren die krassen Gegensätze zu spüren, die große Teile von Brasilien prägen und die ich in den folgenden Tagen noch öfter spüren sollte. Man fährt vom Flughafen durch die Stadt, der Verkehr wälzt sich zäh über den Asphalt und links und rechts von der Stadtautobahn reihen sich die Armenviertel (Favelas) aneinander. Dazwischen folgen dicke Autos der Straße, die stetig bis ganz nach vorn zur Copacabana führt.

Zwischen Musikprojekt und Panzerglas – Deutsche Schule in Rio de Janeiro

Direkt nach Ankunft am Hotel gab es ein Treffen mit dem deutschen Generalkonsul Klaus Zillikens und Vertreter*innen der Konrad Adenauer Stiftung. Befremdlich fand ich die Einschätzung der Konrad Adenauer Stiftung, man könne sich letztendlich auch mit Rechtspopulisten wie dem Präsidenten Jair Bolsonaro arrangieren. Das mag eine Strategie im Umgang mit solchen Politikern sein, doch ich stehe dem sehr skeptisch gegenüber.

Im Anschluss besuchten wir die Deutsche Schule in Rio de Janeiro, „EAC“. Diese Schule ist eine bilinguale und multikulturelle Begegnungsschule. Sie bietet ein zweisprachiges Unterrichtsprogramm in deutscher und portugiesischer Sprache. Hauptziel der Schule ist es, zu einem besseren beiderseitigen Verständnis zwischen Brasilien und Deutschland beizutragen und die Kooperation der Länder bei der Suche nach Lösungen für Weltfragen zu intensivieren.

Wir sprachen hier mit der Schulleitung, die aktuell unter Druck steht: Die Schule besuchen 1000 Schüler*innen, 90 Prozent Brasilianer*innen, aber sie haben große Probleme genügend Lehrer*innen zu bekommen. Denn auch in Brasilien herrscht Lehrkräftemangel und wie üblich Lehrende aus Deutschland bekommen, ist aktuell sehr schwierig.

Anschließend wurden wir von einer Gruppe Schülerinnen durch Schule geführt. Ich habe den Chemieunterricht der 6. Klasse und ein Projekt zu Filmmusik besucht. Auch wenn die Schule Ort für Kreativität und Toleranz ist, sind auch hier die Schattenseiten des Landes wieder nah. Die Schule, untergebracht im Gebäude der ehemaligen US-Botschaft, liegt unmittelbar neben einer Favela. Deshalb gibt es zu dieser Straßenseite hin schusssichere Fenster – verirrte Kugeln aus Straßenkonflikten sind nicht auszuschließen. Die Familien der benachbarten Favelas können sich das Schulgeld von umgerechnet 220 Euro im Monat oft nicht leisten – deshalb gehen vor allem Kinder von Wohlhabenden auf diese Schule. Es gibt bedauerlicherweise kein Sozialprogramm. Es wäre doch sehr schön, wenn es einen Sozialanteil gäbe, so dass auch ein Teil der Kinder aus den benachbarten Favelas dort Bildung bekommen könnten.

Im Herzen Rios – Begehung der Baustelle „Holocaust Memorial“

Genau zwischen den beiden Wahrzeichen Rio de Janeiros, dem Zuckerhut, dem Pão de Açúcar mit 396 Meter Höhe, und der 30 Meter hohen Cristo Redentor Statue liegt im Tal die Baustelle des neuen „Holocaust Memorial“, eine sehr exponierte Stelle.

Besonders gefällt mir, dass das Memorial im Park Jitzchak Rabin liegt. Er war Verteidigungsminister und zwei Mal Ministerpräsident Israels und über Jahre hinweg einer der wichtigsten Entscheidungsträger in außen- und sicherheitspolitischen Fragen des Staates Israel. Er war bis 1995 im Amt bis er von einem israelischen Fanatiker erschossen wurde. Rabin ist einer meiner Lieblingspolitiker der letzten hundert Jahre und hat sich wirklich für die Aussöhnung zwischen Israelis und Palästinensern eingesetzt.

An diesem also besonderen Ort sahen wir uns die laufenden Bauarbeiten an und sprachen mit dem Präsidenten der Federação Israelita do Rio de Janeiro (FIERJ) Arnon Velmovitsky, der Referentin Verena Buschle und Dank einer hervorragenden Dolmetscherin auch mit den Arbeitern auf der Baustelle.

Um einen Blick über die angrenzenden Mangrovenbäume auf den berühmten Christo zu bekommen, kletterte ich eine wackelig gezimmerte Holztreppe 10 Meter in die Höhe, obwohl ich nicht schwindelfrei bin.

Ein Museum nach der Katastrophe – Museu Nacional und Museu Historico Nacional

Beim anschließenden Mittagessen in der Residenz des Deutschen Generalkonsuls Zilliikens lernten wir den Direktor des Museu Nacional, Alxander Kellner, und den Direktor des Museu Historico Nacional, Paulo Knaus, kennen. Die Residenz liegt in einem historischen Gebäude auf einer Anhöhe. Von hier hat man einen schönen Blick über die Bucht und auf den Zuckerhut.

Das Museu Nacional ist im letzten Jahr abgebrannt und aktuell befindet sich dort eine große Baustelle. Hier wird alles archiviert, was übrig geblieben ist – doch viele Sachen sind in der Hitze des Feuers verglüht. Eine der dort eingesetzten Wissenschaftler*innen hat zwischen den Trümmern ein kleines Maskottchen aus ihrem ehemaligen Büro gefunden, dass den Brand überstanden hat, was sie natürlich ergriffen hat. Der Verlust der Artefakte durch die Tragödie wird durch diese kleinen Geschichten besonders greifbar.

Auf dem Weg dorthin hielten wir gegenüber dem Maracanã, dem legendären Fußball-Stadion von Rio de Janeiro. Auf einer Freifläche daneben, angrenzend an ein Armenviertel, planen Alexander Kellner und das Museu Nacional in der Übergangsphase des Wiederaufbaus eine Halle in Leichtbauweise. Hier sollen die geretteten und restaurierten Artefakte ausgestellt werden, auch über die Humboldbox aus Berlin wird nachgedacht. Mit niedrigschwelligen Zugang und verschiedenen Aktionen soll dann der Bevölkerung Rios die Teilhabe an den Kulturschätzen ermöglicht bekommen.

Deutsch-Französische-Brasilianische Freundschaft im Casa Europa

Der letzte Termin des Tages fand im Casa Europa statt. Hier ist der Sitz des deutschen und des französischen Generalkonsulats, im Stockwerk dazwischen befindet sich eine Bibliothek. Der französische Generalkonsul Jean Paul Guihaumé und Robin Malik vom Goethe Institut Rio de Janeiro erzählten uns vom dort neu geplanten deutsch-französischen Kulturinstitut.

Es soll die Idee der Goethe Institute mit der der Institutes Françaises, wie es sie fast überall auf der Welt gibt, verbinden und zusammen mit dem jeweiligen Drittland einen Ort der Verbindung schaffen. Das ist das Ergebnis des Vertrages von Aachen, der im Januar von Frankreich und Deutschland unterzeichnet wurde. Ziel ist es unter anderem, die kulturelle Vielfalt zu stärken. Dort laufen bereits verschiedene Projekte, z.B. eines zu elektronischer Musik.

Um 18 Uhr war dieser letzte Termin beendet. Zwischen der Flughafenankunft um 5 Uhr morgens und diesem Moment lag ein langer Tag und wir waren alle froh, im Hotel anzukommen.

Wie die Evangelikalen Bolsonaro in die Hände spielen – Institut für Religionsstudien

Morgens um 6 Uhr sprang ich im Sonnenaufgang an der Copacabana ins Meer – das musste einmal sein! Denn schon am Nachmittag würden wir nach Salvador weiterziehen.

Nach dem Check-Out ging es aber vorher noch zu einem spannenden Gesprächstermin ins Institut für Religionsstudien. Hier erklärte uns der Direktor Pedro Strozenberg, dass weltweit ein steigender Einfluss der Evangelikalen auf Politik zu beobachten ist. Durch indirekte Unterstützung oder durch Ämterbesetzung. Die Evangelikalen sind diejenigen, die wirklich die Demokratie in diesen Ländern unterlaufen, die in allen Parteien aktiv sind, von links bis nach ganz rechts. Die entscheidende Frage ist, wem gehört die Loyalität dieser Akteure – der Partei, für die sie antreten, oder der Religion? Bei Rechtspopulisten wie Bolsonaro oder Trump lassen sich diese Verwebungen feststellen, die oft für eine Politik des Rollbacks sorgen.

Im weiteren Gespräch über die aktuelle politische Station wurde ebenfalls deutlich: „Bolsonaros Politik legitimiert Intertoleranz.“ Leider würden wir das auch in den nächsten Tagen an verschiedenen Stellen feststellen müssen.

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Salvador de Bahia

Kulturförderer Goethe Institut Salvador

In Salvador angekommen, ging es direkt zum intensiven Gespräch im Goethe Institut mit dem Leiter Manfred Stoffel, seinem Team, der Honorarkonsulin Dr. Petra Schaeber und Damaris Jenne von der Botschaft. Dort fühlte ich mich direkt heimisch – das Institut ist in einem ehemaligen Kloster des Karmeliten Ordens untergebracht, einem katholischen Bettelorden, den es auch in Straubing gibt bzw. gab.

Das Goethe Institut hier ist die Residenz des Goethe Instituts Brasilien und arbeite nach dem Gründungsgedanken mit Sprachprogramme, um Mittel zu generieren. Auch Bahia, der Bundesstaat in dem die Stadt liegt, leidet unter der Rezession und es gibt zu wenig öffentliches Geld. Die Regierung Bolsonaro nutzt das zusätzlich als Entschuldigung, die Mittel für Kultur- und Bildungsprojekte zu kürzen. Deswegen ist das Engagement des Goethe Instituts unverzichtbar, damit Kultur ermöglicht und die Diversität in Brasilien auch in Kultur dort sichtbar bleibt. Sie fördern hierbei kleinteilig, bieten Kulturschaffenden in Salvador durch viele Kooperationen Räume und unterstützt sie.

Kulturszene in der abendlichen Altstadt

Am Abend erkundeten wir zu Fuß Pelourinho – die Altstadt von Salvador zur Zeit der Abendmessen. Dort fällt der Hauptplatz steil ab. Oben steht die pompbeladene katholische Kirche Sao Francisco, unten am Platz die Igreja do Rosário dos Pretos, die Kirche der dunkelhäutigen Bevölkerung, ohne viel Pomp, dafür mit Gesang und Musik. Sie ist Teil des „Historic Center of Salvador UNESCO Weltkulturerbe“.

Dazwischen gibt es ein kleines blaues Haus, das sich in der steilen Neigung ans Pflaster zu klammern scheint. Hier hat Micheal Jackson das Video zu „They don‘t care about us“ gedreht. Jackson wird hier verehrt, ist quasi ein Nationalheld der schwarzen Bevölkerung.

Es folgte ein sehr interessantes Gespräch mit Vertreter*innen der Kulturbehörde und aus der lokalen Kulturszene. Maria Fiedler vom Goethe Institut übersetzte.

Ich durfte neben ganz verschiedenen Kulturinitiativen auch Ana Lucia Silva und Bernadette Pacifico kennenlernen. Zwei Streetfoodaktivistinnen und Feministinnen, die sich dafür einsetzen, dass Frauen aus den Favelas selbstbestimmt arbeiten können, indem sie das traditionelle Essen Acareja zubereiten und auf eigene Rechnung verkaufen können. Das Rezept ist aus Afrika. Salvador hatte 300 Jahre lang einen der größten Sklavenmärkte der Welt. Acareja sind Teigtaschen gefüllt mit Gemüse, Shrimps oder Fisch. Sehr lecker! Leider hat die neue Regierung unter Bolsonaro für dieses Projekt die Mittel gestrichen und jetzt zahlt nur noch der Bahia seinen Anteil – doch das wird nicht lange reichen. Ein trauriger Ausblick.

Hier lernte ich auch die Diretora Executiva von „Pracatum“, Selma Calabrich, kennen. Pracatum ist auch eine lokale Kulturinitiative, die Teilhabe an Musik in Gruppen oder der digitalen Produktion ermöglicht. Auch bei unserem Gespräch wurde wieder deutlich: Es gibt kaum Geld für diese Kulturinitiativen und es wird immer weniger, weil sie keinerlei staatliche Unterstützung haben. Trotzdem strahlen diese Macher*innen mit ihrem positiven Charisma Power aus. Solche Powermenschen – in den Initiativen oft Frauen – halten die Dinge trotz aller Widrigkeiten am Laufen. Das ist absolut beeindruckend.

So spürte ich auch an diesem Abend die Kontraste zwischen engagierten Menschen und einer Regierung, die kein Interesse an Ihnen hat. Es wurde gekocht, Musik gespielt, es war ein Get-Together mit der Kulturszene bei sehr schöner Stimmung. Beim Gang zum Hotel durch die Altstadt aber waren wir dann wieder immer von mindestens drei Sicherheitskräften der Militärpolizei begleitet, die ihre Waffen sichtbar nach außen trugen.

 

Die Frauen von Movimento

Am nächsten Tag verließen wir um halb 9 das Hotel zum Besuch bei der Obdachlosenbewegung Movimento in einem besetzten Haus in einem heruntergekommenen Teils der Altstadt von Salvador. Immer mal kommt die Polizei hier vorbei, jedoch nie so massiv, dass die Häuser geräumt würden. Auch bei Movimento sind die Frauen die Triebfedern: Sie checken die Gebäude ab und bereiten die Räume handwerklich auf. Wir konnten bei unserem Besuch auch mit der Chefin der Gruppe sprechen. Ein Poster von Bob Marley hängt dort draußen an der Wand: „Ich bin auf der Erde und mich kann nur Gott unterkriegen, nicht ein Mensch.“

Wohnen ist so essentiell in einer Stadt und Wohneigentum ist kein Spaß. Damit kann man nicht leichtfertig umgehen. Wohnen bedeutet Sicherheit, Teilhabe an der Gesellschaft, und Eigentum bedeutet Verantwortung. Eigentum verpflichtet mehr denn je, wenn eine Gesellschaft so in arm und reich gespalten ist, wie hier. Dann muss man sich darum kümmern, und darf es nicht verrotten lassen.

Die Ilê Aiyê Schule

Danach/Am nächsten Morgen ging es hinein in eine Favela Salvadors. In der Schule der Afrobrasilianischen Bewegung Ilê Aiyê sprachen wir mit den Vertretern der Schwarzenbewegung. Die Schule bildet Kinder aus den umliegenden Favelas vor allem in musischen Bereichen aus. Von Trommeln über Tanz und im Tonstudio. Der Ilê Aiyê Afroblock ist die zweitälteste Afrobrasilianische Musik- und Kulturgruppe. Sie spielt beim Karneval mit 3.000 Mitgliedern.

Früher gab es hier mehr als 120 Schüler*innen – heute nur noch 60. Unter Bolsonaro reicht das Geld für die Betreuung der Kinder nicht mehr. Lehrräume für Bäcker*innen, Fleischer*innen und auch das Tonstudio stehen bereit. Doch sie bleiben leer. Und draußen stehen Kinder, die Bildung haben wollen und die man abweisen muss. Das tut weh zu sehen. Das ist eine Aufgabe, die ich mit nach Hause nehme. Vielleicht kann man durch Kooperationen mit Berufsschulen eine Lösung finden. Ich will einen Weg finden, mich dafür einzusetzen.

Die Schule legt sehr viel Eigeninitiative an den Tag, bekam teilweise Geld vom halbstaatlichen Energie-Konzern und ist sehr erfinderisch darin, Geld aufzutreiben, um den Schulbetrieb trotz der Umstände einigermaßen aufrecht zu erhalten. In der Aula wird alljährlich ein Schönheitsköniginnenwettbewerb ausgerichtet, auch mit internationalen Bewerberinnen. Dort wird Startgeld genommen, es geht um alle Arten von Schönheit und es sitzen mehr Frauen als Männer in Jury. Auch über Salvador hinaus hat dieser Wettbewerb in der Black Community Kultstatus. Die Einnahmen fließen direkt in den Schulbetrieb. Auch versucht die Schulleitung die Trommler*innen und Tänzer*innen auf Europatour gehen zu lassen, um dadurch Geld für die Schule zu generieren.

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São Paulo

Die größte Stadt der südlichen Hemisphäre

Am späten Nachmittag ging es per Flugzeug zur dritten Station der Reise nach Sao Paulo, mit 20 Millionen Einwohner die größte Stadt der südlichen Hemisphäre. Die längsten Staus, die meisten Helikopter und der größte deutsche Industriestandort weltweit. Mit dem Generalkonsul diskutierte ich nach unserer Ankunft u.a. die Auswirkungen der verheerenden Brände im Amazonas Regenwald auf den „Moloch São Paulo“. Seine Antworten waren eher beschwichtigend, allerdings räumte er Auswirkungen auf die Wetterlage im Stadtgebiet ein.

Den ersten Tag dort musste ich krankheitsbedingt leider aussetzen. Schade, dass ich dadurch die Besuche bei der Humboldtschule in São Paulo und bei der Kolpingsfamilie Aldea de Carapicuiba verpasst habe.

Kulturelle Teilhabe – nicht nur durch Eintrittsfreiheit

Am letzten Tag der Reise war ich zum Glück wieder auf den Beinen. Am Vormittag besuchte unsere Delegation das Museu de Arte. Das Museum befindet sich im Zentrum der Stadt in einem fantastischen Gebäude, das nach den Plänen der Architektin Lina Bo Bardi erbaut worden ist. In diesem privatfinanzierten Museum müssen die Menschen keinen Eintritt bezahlen, auch nicht für die Sonderausstellungen. Die Besucherresonanz ist sehr gut. Das Museum arbeitet u.a. mit der Stadt São Paulo zusammen. So können Schulklassen aus der Umgebung und aus den Armenvierteln die Öffentlichen Verkehrsmittel umsonst benutzen, um ins Museum zu fahren. Das ist nur ein kleines Beispiel dafür, dass Eintrittsfreiheit in Kultur- und Kunsteinrichtugen die Grundlage ist, dass es aber weiterer Maßnahmen bedarf, um wirklich alle Gesellschaftsschichten bei der kulturellen Teilhabe zu erreichen.

Als letzten Programmpunkt der fünftägigen Delegationsreise besuchten wir die renovierte Synagoge Beth-El, ebenfalls im Zentrum von São Paulo. Beth-El wurde aus Mitteln des Kulturerhalt-Programms des Auswärtigen Amtes restauriert und ist nun Bestandteil des im Bau befindlichen ersten jüdischen Museums in Brasilien. Bei den Restaurationsarbeiten an der Synagoge wurden zum Beispiel das Original der Grundsteinlegungsplatte des Architekten Samuel Roder und die ursprünglichen Materialien und Farben freigelegt. Neben der Fassade, der Kuppel im byzantinischen Stil und den Bleiglasfenstern wurden auch der hölzerne Altar mit Thoraschrein und die Originalbänke von 1932 restauriert.

Die Delegationsreise nach Brasilien hat bei mir einen intensiven Eindruck hinterlassen: wie es sein kann in einem Land, in dem die Regierung das soziale Engagement von Menschen in Kultureinrichtungen nicht wertschätzt. Wie soziale Ungleichheit für Kinder und Menschen ohne Wohnung aussieht. Und, dass es Aufgabe des Staates ist, dafür zu sorgen, dass die Kulturszene existieren kann und alle die gleichen Chancen bekommen. Ich bin dankbar für diese Erfahrungen und für die Begegnungen mit all den inspirierenden Menschen, die ich auf dieser Reise treffen konnte.

 

 

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