»MOTHER NATURE ON THE RUN« | Gastbeitrag

7. Januar 2020

Mein Gastbeitrag in den Kulturpolitischen Mitteilungen IV/2019  zum aktuellen Diskurs.

 


Klimapolitik in den Mittelpunkt von Kulturpolitik stellen

 

Die Band Coldplay kündigte an, nicht mit ihrem neuen Album auf Tour zu gehen bis Tourneen klimaneutral sein können.(1) Der Musiker Clueso baut sein Studio aus größtenteils recyceltem Material.(2) Die Spitzen wichtiger Museen in Deutschland wollen mehr Klimaschutz in ihren Häusern und fordern das in einem offenen Brief an die Kulturstaatsministerin.(3) Festivalveranstalter*innen arbeiten an Konzepten zur Müllvermeidung und grünem Strom.(4) Die Soziokulturellen Zentren, stets Vorreiter, wenn es darum geht, gesellschaftliche Themen aufzugreifen, forderten Fördermittel für ein Programm, um die rund 600 Einrichtungen auch ökologisch nachhaltig zu modernisieren.(5) Diese Beispiele zeigen, dass sich Kulturschaffende schon längst mit der ökologischen Zukunftsfähigkeit der Kunst- und Kulturproduktion auseinandersetzen.

In der Kulturpolitik des Bundes wird diese ökologische Zukunftsfähigkeit bisher aber nur marginal behandelt. Eine konsequente Ausrichtung nach Kriterien des Klimaschutzes und der ökologischen Zukunftsfähigkeit, insbesondere in der Förderpolitik, ist nicht zu erkennen. Sie bleibt eine Randerscheinung.

Kulturschaffende sind da schon weiter, wie die obigen Beispiele zeigen. Sie sind sensibilisiert und mobilisieren für die Gefahren der Klimakrise, reflektieren ihre eigene Rolle und entwickeln Lösungen. Als Reaktion auf die Ankündigung von Coldplay nicht auf Tour zu gehen, um das Klima nicht weiter zu belasten, kündigte etwa die Band Massive Attack an, mit Wissenschaftler*innen zusammenarbeiten zu wollen, um klimaneutrale Tourneen zu entwickeln. Gleichzeitig machen sie darauf aufmerksam, dass Einzelaktionen nur wenig helfen und rufen dazu auf, gemeinsam zu handeln.(6) Lösungen für das Problem klimaschädlicher Tourneen beschäftigt auch die Green Music-Initiative(7): In unterschiedlichen Kooperation und Netzwerken berät sie Künstler*innen und Veranstaltende, wie man klimagerechte Konzerte, Festivals und Tourneen umsetzen kann (siehe Schaubild(8)).Wie Green Culture zum Beispiel beim Touren funktionieren kann, zeigt das Green Touring Network mit seinem Green Touring Leitfaden.(9)Die Kulturszene möchte ihren Anteil leisten den Klimawandel aufzuhalten. Viele wissen aber nicht, wie oder an wen sie sich wenden können, um eine erste Beratung zu bekommen. Vielen ist nicht bekannt, welche Angebote es bereits im Bereich Green Culture gibt. Politik muss daher nun die Rahmenbedingungen schaffen, damit die bestehenden Aktivitäten sichtbar gemacht, genutzt und ausgebaut werden können. Aus allen Gesprächen, die ich zum Thema geführt habe, mit Kreativen, Initiativen und Wissenschaftlern wurde klar: Die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle wird als drängendster erster Schritt gesehen.

 

Green Culture Desk – zentrale Anlaufstelle für Kulturschaffende

 

Ich schlage einen Green Culture Desk vor: Um Klimaschutz auch auf Bundesebene in der Kulturpolitik in den Mittelpunkt zu stellen und als Leitmotiv sichtbar zu machen, wird eine zentrale Anlaufstelle auf Bundesebene benötigt. Offen für alle Kulturschaffenden, bringt sie anfragende Projekte mit Expert*innen zusammen, die dabei helfen die Ressourceneffizienz zu überprüfen, auf öffentliche Förderungen aufmerksam machen sowie bei der Beantragung von Fördermitteln mit professionellem Know-how zur Seite stehen. Das Green Culture Desk soll zudem die Aktivitäten der unterschiedlichsten staatlichen und privaten Akteur*innn im Bereich Green Culture transparent und in einer Datenbank abrufbar machen. Primäre Aufgabe des Green Culture Desks ist das Wissensmanagement und der Wissenstransfer. Hierzu gehört auch die Aufarbeitung und Beauftragung von Forschungsinitiativen, um öffentliche Debatten, bspw. zu Wachstum und Ressourcenverbrauch im Kulturbereich anzustoßen.

Eine besondere Rolle kommt dem Green Culture Desk bei der ökologischen Transformation, der aus öffentlicher Hand finanzierten Kulturhäuser zu. Bereits in den Haushaltsverhandlungen zum Etat 2020 haben wir eine Machbarkeitsstudie gefordert(10), aus der hervorgehen soll, wie öffentlich finanzierte Kulturhäuser ökologisch zukunftsfähig arbeiten können. Geprüft werden sollen konkrete Maßnahmen zur energetischen Modernisierung (Umstellung auf Ökostrom, Lampentausch, Heizungssanierungen, investive Maßnahmen zur Einsparung von Energie etc.).

 

Green Culture Fonds – Sicherung der Finanzierung

 

Um die Sicherstellung der Finanzierung des Green Culture Desks zu gewährleisten, bedarf es eines neu einzurichtenden, gut ausgestatteten Green Culture Fonds im Haushalt der Kulturstaatsministerin. Die Existenz des Fonds schließt dabei nicht aus, dass einzelne investive Maßnahmen oder die Unterstützung von Projekten auch aus Finanzmitteln aus den Kommunen, Ländern oder anderer Ministerienetats erfolgen müssen. Bei allen Maßnahmen müssen wir beachten, dass der Kulturbereich, der schon jetzt oftmals mit großen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hat, durch das Ziel der ökologischen Transformation nicht unverhältnismäßig belastet wird. Die Einsetzung des Green Culture Fonds würde endlich sichtbar machen, dass die Bundeskulturpolitik ihren Ankündigungen auch Taten folgen lässt und die Notwendigkeit einer ökologisch zukunftsfähigen Kulturpolitik Rechnung trägt.

 

Neil Young hat seinen traurigen Satz „Look at Mother Nature on the run in the Nineteen-seventies“ seit nunmehr vierzig Jahren immer wieder updaten müssen. Es ist höchste Zeit, Umwelt- und Klimaschutz im Zentrum der Kulturpolitik zu verankern.

Denn, um beim Beispiel Musik zu bleiben: „There’s no music on a dead planet“ (11).

 

 

(1) https://www.abc.net.au/news/2019-11-22/coldplay-chris-martin-says-band-aims-for-sustainable-tour/11728298?mc_cid=fdb962550c&mc_eid=89b11f1c51 oder https://www.spiegel.de/panorama/leute/coldplay-will-fuers-klima-auf-tour-verzichten-a-1297578.html

(2) https://www.zeitjung.de/interview-clueso-nachhaltigkeit-zukunft-pfeffi

(3) https://edition.faz.net/faz-edition/feuilleton/2019-11-08/15e2dee21315855f20311492be79543d/?GEPC=s9

(4) https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/massive-attack-will-co2-bilanz-der-musikindustrie-vermessen-a-1298903.html

(5) http://soziokultur.de/bsz/node/2744

(6) „Any unilateral statement or protest we make alone as one band will not make a meaningful difference. In pursuing systemic change, there is no substitute for collective action.“ Vgl. https://inews.co.uk/culture/music/massive-attack-carbon-emissions-scientists-music-industry-climate-change-1326671

(7) http://www.greenmusicinitiative.de

(8) www.greentouring.net

(9) „Green Touring Guide- ein Leitfaden für Musiker, Künstler- und Tourmanager, Veranstalter, Venues und Bookingagenturen.“ Hrsg.: Popakademie Baden-Württemberg, vgl. http://greentouring.net/downloads/GreenTouringGuide_DE.pdf

(10) https://www.erhard-grundl.de/wp-content/uploads/192294-%C3%84A-B90-DIE-GR%C3%9CNEN-HH-2020-Green-Culture-Machbarkeitsstudie.pdf

(11) Vgl. Initiative „Music Declares Emergency“ https://www.musicdeclares.net/

 

 

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Dieser Artikel erschien als Gastbeitrag in den Kulturpolitischen Mitteilungen, Heft 167 •IV/2019 : Projektförderung

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