Laudatio | Umwelt-Medienpreis der Deutschen Umwelthilfe

18. Oktober 2023

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Erika Blank, lieber Matthias Walter, liebe Antonia Paul
lieber Gerhard Polt,
lieber Christoph Well, lieber Karl Well, lieber Michael Well,


Wir haben Anlass zu feiern: Nämlich die Verleihung des Umwelt-Medienpreises der Deutschen Umwelthilfe für ihr Lebenswerk an Gerhard Polt, Christoph Well, Karl Well und an Michael Well. Von dieser Stelle aus alles Gute und gute Besserung an den erkrankten Gerhard Polt, der heute leider nicht hier sein kann.

Begründen muss man diese Ehrung nicht.

Ein Preis an Polt und die Well Buam geht eigentlich immer! Die Begründung findet sich dann schon. Aber gar nichts zu sagen wäre halt schade, denn ich war selten so freudig voller Stolz wie heute, dass ich der Laudator sein darf. Will man das Phänomen Polt/Well-Brüder verstehen und würdigen, muss man sich ihm auf zwei Wegen nähern: Über den Verstand und über den Lachreiz, den ihre Kunst auslöst. Zum einen geht es um Aufklärung. Für deren Erfinder Emanuel Kant war der Schlüssel für die Ausgangstür aus selbstgewählter Unmündigkeit, sich zu trauen selbst zu denken. Wo erst Angst vor dem Fegefeuer und dem Sparifankerl war, sollte Vernunft sein. Anstelle von Manipulation, sollte Wissen und selbstbestimmtes Handeln treten.

Ein Thema, das auch wieder brandaktuell ist angesichts von Fakenews und Hetze im Internet, die Vorurteile schüren und bedienen und Meinungen durchaus unsubtil zu beeinflussen suchen. Was den Kant angeht, so war auch er alles andere als ein tadelloser Menschenfreund. Daher ist es an uns, ganz im Sinne des Selbstdenkens, es anders zu machen.

Doch auch ein unvollkommener Kant hat dem Streben nach Erkenntnis den Weg bereitet und ihm ein Grundprinzip moralischen Handelns unterlegt: den kategorischen Imperativ. Handele so, wie auch Du behandelt werden möchtest! Mit anderen Worten: Schneide nicht die Fahrradfahrerin da vorne, es könnte Deine Frau sein!

Kants Nachteil heute: Jeder kennt ihn, aber keiner hat ihn gelesen. Geschweige denn, befolgt den kategorischen Imperativ: Sonst würde wohl niemand, den Nachbarn überfallen und brutal mit Krieg überziehen. Auch daran muss ich heute leider erinnern!

Persönlich ziehe ich den bayerischen Philosophen Polt und seine hier anwesenden genialen musikalisch-satirischen Partner dem Preußen Kant vor. Und wenn jetzt jemand sagt, das sei bayerischer Lokalpatriotismus. Dann muss ich sagen: Stimmt, aber wir haben sie vielleicht auch grad besonders nötig: die Aufklärung in Bayern: Siehe Aiwanger – und die anderen, die mir jetzt gerade nicht mehr erinnerlich sind.

Aufklärung, das muss man auch sagen: Tut bisweilen weh. Wobei unsere Aufklärer hier nie als Welterklärer unterwegs sind, nie klüger als ihr Gegenüber, sondern in der Haltung menschenfreundlich. Geh?, fragt Polts Bühnenfigur, die irgendwo angesiedelt ist zwischen Breitbeinigkeit und Verunsicherung, und nach Bestätigung sucht.

Das kongeniale Team Polt/Well betreiben die Aufklärung ihrer Landsleute hartnäckig-liebevoll und auf eine ganz eigene Weise: Fast wie im richtigen Leben halt. Sie reiben uns unseren braune Strümpfe-in-Sandalen-Look unter die Nase, konfrontieren uns mit unseren Vorurteilen, mit dem mühsam unterdrückten Furor einer Wut gegen alles und jeden, was natürlich immer Ausdruck von Hilflosigkeit ist.

Nie wurde unsere libidinöse Beziehung zum Auto eindringlicher dargestellt – als da wo sie im Weihnachtsfest in der beheizten Garage mit Tannenbaum gipfelt. Der Polt nimmt sich der deutschen Leidenschaft für Fernreisen an, wobei wir „gerne auch mal was „Ausgestorbenes“ gegessen hätten. Mit dabei auch der wendigen Bürgermeister, der für Tourismus alles tut, inklusive Mushroom-Searching und nebenbei damit wirbt, dass das nächste Asylbewerberheim weit, weit weg ist.

Im Grunde vertrauen Polt und die Wells auf den Verstand, und auf eine Grundgüte im Menschen, irgendwo unter der trägen Schale der Gewohnheit. Und das macht Hoffnung. Denn es geht immer um die Anregung zum Selberdenken und das, sagen wir, auf Schulterhöhe. Mit der Augenhöhe, das ist schwierig: schließlich ist der Polt gut seine zwei Meter hoch! Und nicht nur deshalb ein Großer: Ein großer Künstler, ein Erzähler, ein Verzauberer, der auch noch hüftschwingend tanzen kann! Und die „demoracy“ erkärt.

Wobei Körpergröße (und ich sag’s nur ungern), wie die Well Brüder anschaulich verkörpern, ja nicht zu überschätzen ist! Schließlich sind sie unübertroffen: Im G‘stanzeln, Schuhplattlern, Alphornblasen, überhaupt im Musizieren. Und das atemberaubend virtuos: Sepp, depp, Henadreck. Egal ob mit Flöte, Trompete und Kontrabass, oder Akkordeon Gitarre, Geige…Mit Spielfreude und wortwitzigem Schabernack…. von der Bayerischen Landesvertretung in Berlin bis zum Open Air Festival in Unterempfenbachich und einmal quer über den Globus – mindestens!

Und das auch noch!  Wackersdorf: „Am 5. Januar 1986 kamen rund 15.000 Demonstranten trotz widriger Witterungsbedingungen und versperrter Zugangswege ins Hüttendorf, wo u. a. der Kabarettist Gerhard Polt (geb. 1942) und die Musik- und Kabarettgruppe BiermöslBlosn bei Auftritten ihre Solidarität mit den Kernkraftgegnern bekundeten.“ Auch als 2016 die damalige Große Koalition die Brennelementesteuer abschaffen und den Atomkonzernen damit ein fettes Steuergeschenk machen will, haben sie einen Gegenvorschlag: die fünffache Atomsteuer statt einer Champanninger-Steuer! Da hätten ja dann alle was davon!!!

Und schließlich das Aufdecken der Amigo-Affäre zum Rhein-Main-Donau-Kanal. Und der Appel ganz schlicht an die Vernunft, beim Einsatz für Dosenpfand und Mehrwegflaschen.

Aber, um das mal klar so zu sagen: Bloß, weil‘s jetzt einen Preis gab für’s Lebenswerk, lieber Gerhard Polt, lieber Michael, lieber Christoph, lieber Karl Well, deshalb habt Ihr natürlich noch lange nicht fertig! Denn Aufklärung ist nie fertig! Und Muddy Waters hat gesagt: Es gibt keine Rente im Rock’n Roll.

Wir brauchen Euch, denn das mit dem Hirn für die bayerische Landesregierung, das auch andere Satiriker schon von ganz oben reklamiert haben, hat noch nicht so wirklich gefruchtet.

Und ich fürchte, wir müssen uns auf dem Gebiet auf fünf weitere Jahre in Bescheidenheit einstellen.

Vor allem aber ist natürlich angesagt, danke zu sagen: Danke für das Lachen, für die subtile, unermüdliche Arbeit an unserer aller Selbsterkenntnis. Die uns deshalb betrifft, weil sie so nahe dran ist an unseren eigenen Marotten und Vorurteilen, an den Falten einer eingestaubten Mentalität, die uns, bei Licht betrachtet, bisweilen schon schaudern macht. Danke für die Heiterkeit, die Lebensfreude, das breite Grinsen mit dem einen ein Polt/Well-Abend wieder in die Welt entlässt. Und wie gesagt, ich freu mich wie Bolle, dass ich heute hier stehen darf.

Bleibt mir zu sagen: Herzlichen Glückwunsch, liebe Well-Brüder, lieber Gerhard Polt, zur wohlverdienten Auszeichnung mit dem Umwelt-Medienpreis!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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