Kulturpolitische Ziele in der 20. Legislaturperiode | Politik & Kultur

21. Februar 2022

Die Politik und Kultur hat u.a. mich gefragt, wie ich mir die 20 Wahlperiode kulturpolitisch vorstelle und das war meine Antwort:

Zur gesellschaftlichen Relevanz von Kunst – Too important to fail

Derzeit kündigen einige der Großen mit großer Geste ihren Abschied an: Quentin Tarantino, Gerhard Richter, „Die Ärzte“. Andere – sehr viel mehr – treten leise ab: Freischaffenden Künstlerinnen und Künstler, viele in der Veranstaltungsbranche, Stagehands, Bühnentechnikerinnen, Roadies. Wenn wir 2022 einen Kultursommer haben wollen, müssen wir diesen Brain Drain aus der Szene stoppen.

Ziel ist es, jetzt Existenzen zu sichern, kulturelle Infrastruktur zu erhalten und größtmögliche Planungssicherheit herzustellen. Prekär war die Lage von Künstlerinnen und Kreativen auch vor Corona. Die beste Krisenprävention künftig sind eine stärkere soziale Absicherung von Freiberuflichen, Soloselbständigen und Hybridbeschäftigten, Mindesthonoraren in Bundesförderrichtlinien – auch um dem Gender Pay Gap entgegen zu wirken – oder die Stärkung der KSK. Die Ampel will Kultur fördern in ihrer ganzen Vielfalt und Diversität.

Als Zukunftsaufgabe bezeichnete Kulturstaatsministerin Claudia Roth die „Erinnerung an den Holocaust“ anlässlich des 80. Jahrestages der sogenannten Wannsee-Konferenz. Denn auch 77 Jahre nach Kriegsende ist vieles nicht aufgearbeitet. So die Nachgeschichte von Euthanasie und Zwangssterilisationen, die Verfolgungsgeschichte der Sinti und Roma, der Zeugen Jehovas und anderer Opfergruppen. Eine Baustelle ist die schleppende Provenienzforschung und Restitution von NS-Raubgut. Die Ampel-Koalition wird die verdrängte Auseinandersetzung mit Kolonialverbrechen und kolonialen Kontinuitäten angehen, die Dekolonialisierung von Stadträumen, die überfällige Restitution und Rückübereignung von kulturellem Eigentum an die Herkunftsgesellschaften, aber auch die Rückgabe von Humain Remains.

Erinnerung braucht Orte: Zur Aufarbeitung der SED-Diktatur etwa den „Campus der Demokratie“ auf dem Gelände der ehemaligen Stasi-Zentrale, aber auch die Orte der größten deutschen Demokratiebewegung: Der friedlichen Revolution in der DDR. Sie gehören prominent in die neue Bundesstiftung “Orte der deutschen Demokratiegeschichte“.

Beenden wird die Ampel dagegen eine Unions-Politik, der wir, bestenfalls aus Gleichgültigkeit, auf dem Humboldt-Forum eine Kuppelinschrift  verdanken, die alle Menschen weltweit auffordert, „das Knie im Namen Jesu zu beugen“. Auf dem postulierten „Weltmuseum“ prangt damit ein christlicher Alleinanspruch. Einher geht das mit einem zunehmend unkritischen Bild preußischer Glorie, auch baulich in Szene gesetzt, während Militarismus, Kolonialverbrechen und die Kollaboration mit den Nazis gerne unter den Teppich gekehrt wurden. Schließlich sehen wir im Aufbruch in eine klimaneutrale Zukunft Notwendigkeit und Chance. Viele staatliche Kultureinrichtungen, gerade die Museen mit ihren Klimaanlagen, weisen eine verheerende Klimabilanz auf. Dabei wollen viele Künstlerinnen, Künstler und Kreative möglichst klimaneutral arbeiten. Die neue Anlaufstelle Green Culture Desk wird ihnen hierfür erstmals Beratung und Finanzmittel an die Hand geben.

Künstlerinnen und Künstler, so formuliert es Katharina Grosse (Handelsblatt, 2.09.2021), machen Vorschläge für „Nicht-Denkbares“, dafür wie es auch sein könnte. Damit gehen sie immer wieder unbekannte Wege, eröffnen neue Sichtweisen und Perspektiven. Das macht sie unschätzbar wertvoll für eine weltoffene, freiheitliche Gesellschaft – eben too important to fail! Ihre gesellschaftliche Relevanz unterstreichen wir mit dem Staatsziel Kunst und Kultur im Grundgesetz.

 

(Erschienen in Politik & Kultur, Ausgabe: Nr. 02/2022)

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