Bericht | An Bord der Sea-Watch 3

10. Januar 2019

Hilferuf am Neujahrstag

Am Neujahrstag diesen Jahres erreichte mich als Mitglied der interfraktionellen Parlamentsgruppe „Seenotrettung“ im Bundestag ein Hilferuf unserer Grünen-Fachpolitiker*innen für Flüchtlingspolitik Luise Amtsberg und Manuel Sarrazin. Sie fragten, ob jemand von uns für unsere Fraktion kurzfristig nach Malta reisen und an Bord der Sea-Watch 3 gehen könne, um dort mit den auf dem Schiff befindlichen Geflüchteten zu sprechen und sich ein Bild von der Lage zu machen. Gleichzeitig sollte durch den Besuch von Bundestagsabgeordneten das Interesse der Medien an den Zuständen der unterbundenen Seenotrettung gestärkt werden. Seit 2 Wochen lagen die Sea-Watch 3 der Organisation „Sea-Watch“ mit 32 und auch ein Schiff der regensburger Organisation „Sea Eye“ mit 17 Menschen an Bord auf offener See – handlungsunfähig durch die Weigerung der maltesischen Behörden, die Menschen an Land zu lassen.

 

Die Situation an Bord

So ging ich am 4. Januar, morgens bei einigermaßen Seegang, zusammen mit zwei Kollegen der SPD, einem MdB der Linken und unserer Europaabgeordneten Ska Keller an Bord der Sea-Watch 3 vor Malta. Die Verhältnisse waren nach 14 Tagen Irrfahrt für die Passagiere ziemlich deprimierend. Mit einigen von ihnen konnte ich persönlich sprechen. Unter Geflüchteten waren auch Jugendliche und Frauen mit kleinen Kindern, die auf beengtem Raum ausharrten, bei rauer See und mit der Ungewissheit, was die Zukunft bringt. Die Leute waren allesamt natürlich in einer psychischen Ausnahmesituation. Das alles fand an diesem Tag seinen Tiefpunkt, als ein Mann – die Küste Maltas war vom Boot aus stets in Sichtweite! – kurzerhand über Bord sprang, in der Hoffnung, es schwimmend an Land zu schaffen. Gottseidank merkte er schnell, dass er im kalten Mittelmeer keine Chance gehabt hätte und ließ sich von Crew-Mitgliedern wieder an Bord ziehen. Das waren echte Schrecksekunden.
Nicht nur konnten wir uns so einen Überblick über die schwierige Lage verschaffen, auch die Aufgabe, das mediale Interesse hoch zu halten, gelang und ich konnte einige Interviews an Bord des Schiffes geben. Wir Abgeordnete verließen die Sea-Watch 3 nach knapp fünf Stunden wieder – anders als die Geflüchteten, die weiterhin in dieser Situation festsaßen.

 

NGOs sind einzige Überlebenschance

Wenige Tage später gab es dann die Mitteilung, dass alle 49 Geflüchteten in Malta an Land gehen können und auf aufnahmebereite Europäische Staaten verteilt werden.
Das war natürlich ein Erfolg. Allerdings ist die gesamte Seenotrettung im Mittelmeer nach wie vor höchst problematisch und besonders die zivilen Seenotrettungsorganisationen werden von den europäischen Behörden schikaniert, eingeschüchtert und seerechtswidrig behandelt. Die Crewmitglieder leisten mit enormem persönlichem Einsatz professionelle Arbeit, aber die Verzweiflung war an Bord deutlich zu spüren. Ich stehe weiterhin mit den Organisationen in Kontakt. Es gibt aktuell keine EU-Seenotrettung, darum sind diese NGOs die einzige Überlebenschance für geflüchtete Menschen, die im Mittelmeer in Seenot geraten.Es darf sich aber nicht wiederholen, dass Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten und Schreckliches erlebt haben, ein weiteres Mal traumatisiert werden, weil sich Europa nicht einigen kann. Im Übrigen entspricht es den Grundprinzipien des internationalen Seerechts, Menschen aus Seenot zu retten, zu beherbergen und in einen sicheren Hafen zu bringen. Hinter diese Grundprinzipien der Menschlichkeit dürfen wir nicht zurückfallen. Darum setze ich mich im Bundestag weiter dafür ein, dass es eine echte europäische Lösung gibt, die Menschen rettet und die Arbeit der zivilen Seenotrettung übernimmt.

Über den Besuch berichtete die Tagesschau und der Deutschlandfunk.

 

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